Wenn sowohl die seriöse BBC als auch der Boulevard die Situation rund um die englische Nationalmannschaft wortgleich als "farcical", also "absurd" oder gar "lächerlich" beschreiben, dann scheint tatsächlich etwas im Argen zu liegen. Und das hat weniger mit den Leistungen auf dem Rasen als dem Geschehen drumherum zu tun.
Auch drei Monate nach dem Rücktritt von Gareth Southgate ist kein neuer Cheftrainer für die Three Lions in Sicht; es heißt, es gebe noch nicht einmal konkrete Gespräche. Und Lee Carsley, der den Posten derzeit interimsweise bekleidet, ist nicht gerade eine Hilfe bei dem eigentlich nötigen Unterfangen, für Klarheit zu sorgen.
Zunächst schienen seine Chancen, wie einst Southgate von der kurz- zur langfristigen Lösung zu werden, durch die chaotische 1:2-Niederlage gegen Griechenland rapide gesunken zu sein. Als der 50-Jährige danach erst bei Talksport erklärte, er habe sich nicht für das Cheftrainer-Amt beworben, und dann bei ITV sagte, England benötige einen "Weltklasse-Trainer, der schon Titel gewonnen hat", schien die Lage endgültig klar zu sein.
Carsley widerspricht den Interpretationen - oder doch sich selbst?
Doch am Sonntagabend, als England gerade mit einem 3:1-Sieg in Finnland einen weiteren Nations-League-Rückschlag verhindert hatte, klang Carsley schon wieder ganz anders. Die Interpretation, er habe sich selbst aus dem Rennen um den Job verabschiedet, sei "definitiv" falsch, und dieser käme auch "definitiv nicht" zu früh für ihn, behauptete er plötzlich - obwohl er bislang lediglich den U-21-EM-Titel 2023 vorweisen kann und selbst gesagt hatte, erst "auf dem Weg" zu einem solchen Top-Trainer zu sein, den er den Three Lions empfiehlt. Ja, was denn nun?
Niemand weiß, Stand jetzt, ob die FA Carsley den Job auch länger zutraut und ob dieser ihn überhaupt antreten will. Er sei deswegen so zögerlich, weil er mit allem anderen in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht habe, erklärte der einstige Interimstrainer von Coventry, Brentford und Birmingham. Irgendwann habe er vor lauter Zukunftsgedanken seinen Job nicht mehr richtig gemacht. "Ich kann verstehen, warum euch das frustriert", sagte er in Helsinki zu den Medienvertretern.
Gut möglich also, dass die englische Trainerfrage noch eine Weile "absurd" bleibt. Die November-Länderspiele in Griechenland (14. November) und gegen Irland (17. November) soll Carsley in jedem Fall noch bekommen. Gleichzeitig werden mit dem vereinslosen Thomas Tuchel und Pep Guardiola, dessen Verbleib bei Manchester City über die Saison hinaus offen wie nie ist, längst zwei Trainer gehandelt, die bestens in Carsleys "Weltklasse"-Beschreibung passen. Wenn man ihn da denn richtig verstanden hat.