Aus Birmingham berichtet Mario Krischel
Das Schöne an Fußballspielen in England ist, dass es dann doch ein paar Konstanten gibt, die jeden Aufenthalt aber mindestens mal unterhaltsam gestalten. Völlig unabhängig davon, wie das Fußballspiel später ausgeht oder letztlich ausgegangen ist.
"Würden Sie Ihren Freunden eine Reise nach Birmingham empfehlen?", fragte am Vormittag dieses Fußballspiels eine Frau mit einem Regenschirm, die sich hauptberuflich damit befasste, Reisende nach Birmingham über deren Reise nach Birmingham auszufragen.
Und als es ein bisschen dauerte, bis eine Antwort kam, da lachte die Frau. Sie hatte dieses höfliche Zögern gelegentlich wohl schon mal vernommen. "For the football?", schlug sie dann als Antwort-Möglichkeit vor, und das eifrige Nicken erfreute sie sehr. Ja, klar, für den Fußball sollten Menschen auf jeden Fall nach Birmingham kommen!
In Birmingham gibt es zum Beispiel den Drittligisten Birmingham City, der in diesem Sommer mehr Geld für einen Spieler ausgegeben hat (Jay Stansfield, 17,8 Millionen Euro) als Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen zusammengerechnet im gesamten Transferfenster. Und dessen sogenannter "Co-Owner" der beste American-Football-Spieler der Geschichte ist, Tom Brady.
Und natürlich gibt es in Birmingham neben den aus "Peaky Blinders"-bekannten Kanälen auch den Erstligisten Aston Villa, den Stolz der Stadt - laut Aston-Villa-Fans. "All of my heroes are villans", behaupten diese Fans übrigens ebenso, und marketingtechnisch ist das schon nochmal eine Stufe über "Mia san mia" oder "Echte Liebe". Es fehlt ja nur ein "i" bei "Villans" und da stünde, wie es eben auch verstanden werden soll: Alle meine Helden sind Bösewichte.
"Love" vom Sicherheitspersonal, Fans in bester Ulreich-Manier
Und als genau diese Bösewichte entpuppten sich die Villans an einem Abend, der ganz wunderbare Werbung für diese Fußballstadt Birmingham wurde. Die man seinen Freunden auf jeden Fall empfehlen würde!
Angefangen bei den dunkelroten Backstein-Gebäuden links und rechts vom Villa Park, an deren Fassaden relativ England-typisch Graffiti von Ollie Watkins oder Unai Emery oder ganz einfach auch mal vom Champions-League-Pokal zu sehen war. Dann diese silbernen Hotdog-Wagen mit so urigen Namen wie "Smokey Joe's", die viel zu schmalen Holztüren zur Tribüne oder die viel zu schief gesungenen Fangesänge.
Und natürlich gibt es auch dort das sehr nette Sicherheitspersonal, das einen grundsätzlich mit "Love" oder "Darling" begrüßt und dem Fans gegenüberstehen, die in bester Sven-Ulreich-Manier lieber einmal zu oft "Wanker" in Richtung des Gegners rufen.
Ach so, und ein Fußballspiel fand ja auch noch statt. Ein Fußballspiel übrigens, das ebenfalls allerlei englische Klischees bediente. Die "Shoot"-Rufe der Villa-Fans, als ein Villa-Spieler in der Hälfte der eigenen Hälfte an den Ball kam; die T-Shirts bei einstelligen Temperaturen; das zähneknirschende Faustballen, wenn einer der eigenen Jungs gegen den deutschen Giganten einen Zweikampf an der Seitenlinie gewann. Und natürlich der bärtige Prinz William, der ganz augenscheinlich Schwierigkeiten hatte, die Emotionen auf einem noblen Niveau zu halten.

Villa-Helden: Ollie Watkins, Rachel Daly und Emiliano Martinez als Graffiti. picture alliance / empics
Die Bayern sind immer noch fehlbar, das wussten die Bayern aber auch. Vincent Kompany hatte vor dem Fußballspiel im Villa Park zwar noch selbstbewusst gesagt, dass "seine Jungs" diese "Nächte" in der Königsklasse gewohnt seien und dass ihnen eine solche Atmosphäre nichts anhaben sollte.
Aber das Schöne am Fußball ist ja, dass man sich an diese Nächte eigentlich nie gewöhnen kann; ob auf dem Platz oder daneben. Es schwingt immer dieses Unberechenbare mit, manchmal sogar das Magische. Da kann eine Mannschaft die ganze Zeit drücken und sich dann ein Tor fangen, das der Torschütze in zehn Anläufen vielleicht nur dieses eine Mal so erzielt.
Und dann setzt sich eben keiner mehr hin und jeder brüllt. Und wenn er das Stadion verlässt und am Bus des FC Bayern vorbeigeht, entblößt das hochgerutschte Trikot das runder gewordene Bäuchlein, weil die Arme Richtung Himmel stehen. "Bayern Munich", singt er dann. "We done you again!"
Würden Sie Ihren Freunden eine Reise nach Birmingham empfehlen?