Nach 456 Kilometern Schwimmen im fränkischen Rothsee, 21.600 Kilometern auf dem Rad und 5063 Kilometern zu Fuß entlang des Kanals streckte Jonas Deichmann am Abend des 5. September zum letzten und 120. Mal in Folge das Finisherband in die Höhe. Hunderte Läuferinnen und Läufer begleiteten den 37-Jährigen bei seinem letzten "Läufchen" über 42,195 Kilometer, Tausende empfingen ihn im Rother Stadtgarten. Eine Stimmung, die es sonst nur beim Challenge Roth gibt, auf dessen Strecke Deichmann vier Monate lang unterwegs war. Jedes Jahr im Juli trifft sich die Triathlon-Weltelite beim weltweit größten Langdistanz-Triathlon in Franken.
Das Stadtorchester spielte "Don't stop me now" von Queen und tatsächlich konnte Jonas Deichmann bei seinem Weltrekordversuch niemand aufhalten. 120 Tage lang sprang er jeden Morgen gegen 6:30 Uhr für eine 3,8 Kilometer lange Schwimmrunde in den See. Nach 180 Kilometern auf dem Rad und einem Marathon kam er täglich nach 21 Uhr ins Ziel. Er fuhr bereits mit dem Fahrrad in Rekordzeit die Panamericana von Alaska nach Feuerland, durchquerte die USA mit dem Rad und zu Fuß und machte einen Triathlon um die Welt - Ausdauerprojekte ist er also gewohnt. Doch diese "Challenge120" nennt Deichmann sein bislang "extremstes Projekt".
Lang ausgeruht hat er sich im Anschluss nicht. Nach dem Weltrekordtag ging es mit einem Medienmarathon weiter, auch in Firmen gibt Deichmann bereits wieder Vorträge. Immerhin ein paar ruhige Tage gönnte er sich im Anschluss im Salzkammergut. "Ich war in meinem Leben noch nie so müde", erzählt Deichmann. Nach einer ordentlichen Portion Schlaf sei er aber wieder "frisch und munter" gewesen. Seitdem geht es ans Abtrainieren. Von 100 auf 40 Wochenstunden.
Zwei Wochen nach seiner letzten Langdistanz im Rother Landkreis kommt Deichmann zum kicker-Interview nach Nürnberg. Statt Laufklamotten und Startnummer um die Hüfte kommt er in Anzughose und Hemd. Vormittags hielt er einen Vortrag, danach ging es zu einer weiteren medizinischen Untersuchung. Deichmann dient seit Beginn seiner Challenge als "Versuchskaninchen", viele Mediziner sind interessiert, wollen wissen: Wie verändern 120 Langdistanzen den Körper?. "Am meisten überrascht wohl, dass ich keinerlei Muskelentüzundungswerte habe. Mein Körper hat sich an die Langdistanzen gewöhnt. Am Ende war es Normalität", sagt Deichmann.
Privatsphäre? Fehlanzeige
Normal war jedoch vieles nicht an seinem Projekt. Kann er schon ein Fazit ziehen? "Ich bin in kein Loch gefallen, es geht mit anderen Dingen ja weiter. Was ich allerdings vermisse ist die tolle Stimmung, die wir beim Laufen immer hatten". Deichmann war zu keiner Zeit alleine, egal bei welchem Wetter begleiteten ihn Sportlerinnen und Sportler beim Schwimmen, Radfahren oder Laufen. "Dass das so groß werden wird und am Ende ein paar Hundert Leute mitgelaufen sind, das konnte ja keiner ahnen", sagt er. Privatsphäre? Fehlanzeige.
Jeder wollte ein Stück Jonas Deichmann. "Dass mich so viele Menschen begleitet haben hat mir einerseits viel Kraft gegeben. Es war aber auch mental anstrengend, vier Monate lang keinen Rückzugsort zu haben. Wenn ich während des Laufens kurz angehalten habe um zu pinkeln haben fünf weitere mit mir angehalten um mir eine Frage zu stellen oder ein Selfie zu machen", erzählt er.
Als er mit Rückenschmerzen und einigen Infekten zu kämpfen hatte, half ihm sein bedingungsloser Optimismus: "Ich glaube daran, dass es morgen wieder besser ist. Solange ich keine Beweise habe, dass es nicht so ist, glaub ich, dass es gut wird."
Kleine Tricks halfen ihm, bis zum Weltrekord durchzuhalten: "Ich setze mir kleine Ziele. Im Kopf mache ich keine 120 Langdistanzen am Stück, ich breche sie herunter. Ich schwimme vier Runden, dann frühstücke ich, dann geht's aufs Rad. Diese Fähigkeit, eine große Vision zu haben und sich nicht entmutigen zu lassen, das ist unglaublich wichtig."
Das vollständige Interview seht ihr hier: