Seit Jahren wartet der eSport in Deutschland auf die politische Anerkennung der Gemeinnützigkeit, um auch losgelöst vom physischen Sport weiter an seinen Strukturen zu feilen. Ein Thema, dem sich der aktuelle kicker eSport Talk widmet. Zumindest in der laufenden Legislaturperiode stehen die Chancen schlecht - weshalb klassische Sportvereine für viele Interessierte im Fokus stehen. Nun gibt es erstmals bundesweite wissenschaftliche Ergebnisse, wie das Zusammenspiel dieser Klubs mit dem eSport funktioniert.
Von "durchaus positiven Effekten" ist in der Pressemitteilung der FH Münster die Rede. Durchgeführt wurde das Projekt unter dem Titel "Förderung von eSport als außersportliche Jugendarbeit im Sportverein" von der Sportjugend des Landessportbunds NRW in Kooperation mit 22 Sportvereinen sowie Prof. Dr. Eik-Henning Tappe und Markus Gennat von ebenjener FH Münster. Das Team stellte seine Ergebnisse im Rahmen des Jugendlagers der Sportjugend NRW und des NRW-Tags im Deutschen Haus in Paris vor.
Untersucht wurden "vorwiegend die sozialen Auswirkungen des eSports auf die Spieler*innen". Ein großer Faktor war zudem, ob der "räumlich-soziale Rahmen eines Sportvereins diese Effekte begünstigt". Laut Jens Wortmann, dem Vorsitzenden der Sportjugend NRW, sei es "das bundesweit bislang einzige Projekt, das eSport in Sportvereinen wissenschaftlich untersucht". Als Anlass zur Veröffentlichung der Erkenntnisse diente die IOC-Entscheidung, ab 2025 jährlich Olympische eSport-Spiele auszurichten.
"Frustmomente" im Kollektiv bewältigen
Zurück zu den "durchaus positiven Effekten": Der Pressemitteilung zufolge berichteten Teilnehmer von "Gruppengefügen, die durch die räumliche Struktur entstehen". Hervorgehoben wurde darüber hinaus der Austausch mit Gleichgesinnten. "Zentraler Erfolgsfaktor" hierfür sei "die Einbindung von eSportlerinnen und eSportlern als Engagierte" - das Zugehörigkeitsgefühl scheint ausschlaggebend.
Apropos Gefühle: Stolz bei guter Leistung und "Selbstwirksamkeitserfahrungen" seien durch Anerkennung sowie Wertschätzung innerhalb der Gruppe eingetreten. "Frustmomente", die durch Niederlagen oder schlechte Performances entstehen, würden laut den Projektverantwortlichen im Kollektiv hingegen "aufgefangen, reflektiert und verarbeitet".
Außerdem sei keine Kannibalisierung zwischen eSport und Sport zu beobachten gewesen: "Vereinsmitglieder gaben ihren Sport nicht zu Gunsten des eSports auf", steht geschrieben. Allerdings sei das kompetitive Gaming den Ergebnissen zufolge auch "kein Rekrutierungsweg für den klassischen Sport". Als potenzielles Risiko des eSports nannten die Teilnehmer "das lange Sitzen" - einige von ihnen sollen "intrinsisch motiviert" nach physischem Ausgleich gesucht haben.
Feste Strukturen gegen die Stigmen
Es sei dem Sportjugend-NRW-Vorsitzendem Wortmann ein Anliegen, "eSport als soziokulturelles Phänomen und Teil der Lebenswelt von meist jungen Menschen zu verstehen". Das Pionier-Projekt könnte dahingehend einen Schritt gemacht haben. Die festen Strukturen im Sportverein seien ein Ansatz, "dem eSport die Stigmen zu nehmen, die ihm anhaften" - etwa dass er die Akzeptanz von Gewalt fördern könne.
Für die Forschungsarbeit hatte das Team die eSport-Initiativen an "Modellstandorten" erprobt. Schon bald könnte sich das Engagement aber ausbreiten: Es seien Schulangebote erstellt worden, um auch "pädagogisch anzuleiten". Die Sportjugend NRW will in Zukunft eine Beratungsanlaufstelle aufbauen, an die sich interessierte Vereine wenden können.
"Für uns heißt es nun, Multiplikatoren in der Jugendarbeit fortzubilden und das Engagement von eSportlerinnen und eSportlern anzuerkennen. Zusätzlich müssen wir Angebote schaffen, um den negativen Aspekten vorzubeugen - wie dem langen Sitzen", schließt Wortmann.