"Wir dachten: Wir sind gut, also fahren wir mal zu dem Counter-Strike-Turnier und räumen die Preise ab", erinnert sich Michael Haenisch im Gespräch mit kicker eSport an seine erste Berührung mit eSport zurück. Um die Jahrtausendwende habe er über eine Radiowerbung von dem Wettbewerb erfahren, bei dem es Grafikkarten zu gewinnen gab.
Also habe ich die Veranstalter kontaktiert, die mir entgegnet haben: 'Mach doch einfach bei der Organisation mit, anstatt zu kritisieren'.
Michael Heanisch über seine ersten eSport-Kontakte
Vor Ort angekommen sei ihm dann "schlagartig" klargeworden, "wie groß der eSport ist". Über 3000 Menschen aus der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich hätten sich versammelt, um mit- und gegeneinander zu spielen. "Ein imposantes Turnier, allerdings sehr schlecht organisiert", fasst Haenisch die LAN-Events der Neunziger und frühen Zweitausender zusammen: "Also habe ich die Veranstalter kontaktiert, die mir entgegnet haben: 'Mach doch einfach bei der Organisation mit, anstatt zu kritisieren'."
Wegweisende Worte für den inzwischen langjährigen eSport-Funktionär, der dem Ruf folgte. An ein Praktikum bei Ministry of Games schloss sich nach deren Auflösung der Wechsel zu Freaks 4U Gaming an - zunächst als Projektleiter. Später stieg er weiter zum COO und 2011 mit der Ausgrüdngung on Freaks 4U Gaming bis zuletzt zum CEO auf.
In den 24 Jahren gab es einige Meilensteine. Unter anderem gelang es 2003, die FIFA für ein kompetitives Turnier zu überzeugen. "EA SPORTS hatte selbst damals noch nicht die Möglichkeit, solche offizielle Meisterschaften zu erlauben. Nachdem die FIFA zugestimmt hatte, war das dann tatsächlich der erste offizielle Wettbewerb in Europa - wahrscheinlich sogar weltweit, dass in der Fußball-Simulation ausgetragen wurde", blickt der Freaks-CEO zurück.
Ein Meilenstein mit viele Facetten war zuletzt auch die vollständige Übernahme durch NODWIN Gaming. Dabei stehen - abseits des Kaufbetrags von 30 Millionen Euro - zwei Begriffe im Fokus: Erschließung neuer Märkte und Nachhaltigkeit. Letztgenannter wurde vor allem "während und nach der Pandemie umso wichtiger."
Die Schattenseiten der Investoren
Warum, zeige ein Blick auf die Marktentwicklung. "Wir haben uns seit 2001 stets aus dem laufenden Geschäft finanziert. Irgendwann sind wir aber gegenüber Mitbewerbern, die sich Investoren gesucht haben, in Nachteile geraten. Im Gegensatz zu uns konnten sie freier entscheiden, wie Geld ausgegeben wird", erklärt Haenisch - macht aber auch die Schattenseiten deutlich, wenn "Sponsoren für bestimmte Markenkunden nicht mehr interessant sind und gewisse Geschäftsmodelle von Investoren nicht weiter getragen werden".
Bereits vor der Übernahme durch NODWIN Gaming wollte man ein nachhaltiges Modell schaffen, was auch bedeute, bestimmte Posten auf den Prüfstand zu stellen. Einige Wochen vor dem Erwerb kündige kündigte Haenisch in einem LinkedIn-Post an, etwa 30 Mitarbeiter entlassen zu müssen. Daran ändere auch die Übernahme nichts, "wobei diese verhindert hat, dass noch mehr Angestellte hätten gehen müssen". Teile des erhaltenen Geldes würden verwendet, "um Abfindungen oder auch Weiterbildungen wie Sprachkurse für die ehemaligen Arbeitnehmer zu bezahlen".
Riots Wechselkurs mit Auswirkungen
Verabschiedet werden musste im November 2023 auch Summoner's Inn. Rund zehn Jahre lang bot die Plattform News, Broadcasts und Unterhaltung zu League of Legends (LoL) an. Letztlich blieb auch dieses Projekt "nicht von den Herausforderungen und Veränderungen des Marktes verschont", wie es in einer Mitteilung auf der Seite hieß.
Dahinter verbirgt sich jedoch mehr als geahnt. Anfangs habe man "Summoner's Inn größtenteils durch die Übertragung der League of Legends European Championship finanziert, indem wir dafür Sponsoren gesucht haben". Vor knapp fünf Jahren habe Riot Games (Entwickler und Publisher von LoL) die Lizenzvereinbarungen dann geändert. Die Turniere durften noch übertragen werden, "allerdings übernahm der Entwickler und Publisher die Vermarktung selbst und stellte im Gegensatz einen Geldbetrag zur Verfügung". Schlussendlich "traf Riot Games jedoch die Entscheidung, diese Gelder einzustellen". Eine Selbstvermarktung war zwar wieder möglich, durch gesunkenes Interesse der Sponsoren jedoch um ein Vielfaches schwieriger.
Die Refinanzierung von Community-Produkten, die Arbeitsstellen schaffen, ist durch dieses Modell schwer oder gar unmöglich.
Michael Haenisch, Geschäftsführer von Freaks 4U Gaming.
Ein weiterer Stein wurde in den Weg geworfen, "indem Riot Games nicht etwa ins alte Modell zurückkehren, sondern auf Co-Streaming umstellen wollte". Eine Entwicklung weg von Communities, hin zu Influencern. Wie bei den Investoren eine Medaille mit zwei Seiten: "Der Blick in die Zahlen zeigt, dass die Co-Streams erhebliche Reichweiten aufbauen. Aber: Das Sehverhalten verändert sich - hin auf die Influencer, außerdem entsteht für das Produkt eine sehr hohe Abhängigkeit." Hinzu kommt: "Die Refinanzierung von Community-Produkten, die Arbeitsstellen schaffen, ist durch dieses Modell schwer oder gar unmöglich."
Welche rasante Entwicklung der eSport genommen hat, zeigt der Werdegang von Haenisch auf. Von imposanten, aber schlecht organisierten LAN-Partys bis hin zu einem großen und komplexen Markt. Ob sich dieser Weg fortsetzt, scheint ob der fehlenden Gemeinnützigkeit, der Auflösung des eigenständigen Games-Referat in der Bundesregierung, aber auch der Schließung diverser Vereine und Projekte allerdings fraglicher denn je.