eSport

Pokémon TCG Pocket - Ein Pack-Opening-Simulator?

Boosterpacks, süße Monster und eine große Frage

Neues Pokémon-Spiel - Ein Pack-Opening-Simulator?

Im Mittelpunkt steht das Erlebnis Packopening.

Im Mittelpunkt steht das Erlebnis Packopening. Pokémon

Pokémon bringt ein neues Spiel auf den Markt - für wen? Vor allem die, die gerne Packs öffnen und einarmige Banditen mögen. Der Ersteindruck lässt uns die Stirn runzeln.

Karten sammeln, Packs aufreißen, Gegner besiegen: Das hat der japanische Entwickler als Hauptkriterien eines Sammelkartenspiels ausgemacht und veröffentlicht nun einen Pack-Opening-Simulator als App. Pokémon TCG Pocket startet am 30. Oktober und wir konnten auf der gamescom einen ersten Blick drauf werfen.

Vereinfachte Kämpfe für alle, die sich bisher nicht getraut haben

Zunächst zu den Basics: Was die Pokémon Company hier im Sinn hat, ist, das Kartenspiel in eine Smartphone-App zu bringen. Das muss so präzise gesagt werden, denn eine PC-Adaption existiert schon.

Ryo Tsujikawa, General Manager des Spiels, erklärt uns, dass es immer noch viele gibt, die das Kartenspiel nicht kennen oder sich eingeschüchtert fühlen - genau diese Gruppe wolle man mit den vereinfachten Kämpfen erreichen.

20 Karten im Deck, keine Energie und drei Pokémon-Knockouts bringen Sieg oder Niederlage. Ein interessanter Ansatz, der auf den ersten Blick stimmig erscheint. Testen konnten wir den Kampf gegen andere Trainer bisher nicht.

Pokémon in neuem Glanz - die visuelle Seite überzeugt

Auch die Präsentation des Spiels weiß zu überzeugen. Statt in 2D auf einer Karte können die Pokémon und ihre Bilder nun in ganz neuen Varianten gezeigt werden: Sogar das Eintauchen in besondere Spezialkarten und die Erkundung der Umgebung sind möglich. Das geht natürlich nur mit besonders seltenen Karten. Die App-Versionen wirken inspiriert von den Aberhunderten Content-Creatorn aus den Sozialen Netzwerken, die den Karten aufwendige 3D-Effekte zusammenbasteln.

Grafisch lohnt sich das Sammeln und Ausstellen allemal: Die Karten sind Kunstwerke. Pokémon

Und so viel muss auch gesagt sein: Das Kreativteam liefert wahre Kunstwerke ab - mit klaren Linien und beeindruckenden Illustrationen. So lohnt sich das Sammeln besonderer Pokémon-Versionen nicht nur für eingefleischte Fans: Die Bilder sind großartig.

Ein Spiel, das auf Pack Openings setzt

kicker eSport hat sich schon oft gefragt: Warum müssen Nintendo und die Pokémon Company immer noch mehr Geld aus ihren Spielen pressen - teils mit aggressiven Methoden? Dasselbe scheint auf den ersten Blick auch auf TCG Pocket zuzutreffen. Erst recht, ohne den Kampfmodus gegen andere Spieler gesehen zu haben.

Der Publisher hat einen waschechten Pack-Opening-Simulator entwickelt. Die ersten 20 Minuten Spielzeit verbringen Trainer mit nichts anderem, als ein Pack nach dem anderen zu ziehen. Glücksspielmechanismen und unserem Eindruck zufolge auch geriggten Belohnungen inklusive.

Das verheimlicht der Entwickler aber auch nicht: "Der Hauptfokus des Spiels liegt auf dem Öffnen von Boosterpacks und dem Erstellen einer Kartensammlung", heißt es in der Präsentation zum Titel. Alle zwölf Stunden gibt es ein Pack "kostenlos" - wer mehr will, kann Euros ausgeben.

Unserer vehementen Frage nach der Zielgruppe wird sowohl im Interview als auch auf der gamescom ausgewichen: Das ursprüngliche Karten-Spiel sei sehr taktisch, heißt es. Man wolle alle Menschen erreichen, die bisher nicht spielten.

Unserer Empfindung nach richtet sich die App jedoch besonders an eine junge Zielgruppe. Es geht nicht vornehmlich um Veteranen, die mit roter und blauer Edition aufgewachsen sind, sondern um Kinder und Jugendliche. Die erreicht man auf dem Telefon niederschwellig und ohne Einstiegskosten - anders als im Spielzeugladen.

Monetarisierung: Zwischen moderat und manipulativ

Natürlich steckt auch ein Monetarisierungssystem hinter der App. So weit nicht verwerflich, niemand kann Spiele komplett umsonst anbieten - Entwickler müssen auch Miete bezahlen. Auf unseren ersten Eindruck fällt eine Einschätzung schwierig: Für monatlich zehn Euro im Abo gibt es ein Pack mehr am Tag und Bonusmissionen - also nicht viel.

Für umgerechnet 20 Cent kann man die Wartezeit auf das nächste Pack um zwei Stunden verkürzen. Statt zwölf Stunden warten, also 1,20 Euro ausgeben. Weitere Glücksspieltaktiken - was Echtgeld angeht - waren zunächst nicht zu erkennen. Zwar gibt es erneut eine Vielzahl unterschiedlicher Währungen wie bei Pokémon-Spielen neuerdings üblich, aber zunächst sind diese wohl nicht durch Euros zu erwerben.

Wie gewohnt - dass sagen auch Entwickler und Präsentator auf der gamescom: niemand muss Geld ausgeben. Dass jemand, der ernsthaft Decks zusammenbauen will, ständig zwölf Stunden-Wartezeit auf neue Packs in Kauf nimmt, halten wir für unwahrscheinlich. Jedoch: Es soll auch möglich sein, Karten und Zubehör über Missionen zu erhalten.

Ein Blick ins Spiel, verschiedene Mechaniken stehen zur Verfügung, aber immer im Fokus: Mehr Karten ziehen. Pokémon

Altes Rezept - virtuell umgesetzt

Hier schließt sich der Kreis zur physischen Version: Die Karten-Spieler um die Weltmeister Kaya Lichtleitner und Robin Schulz sind auch in ihrer Disziplin gezwungen, mit offiziellen Papp-Pokémon anzutreten. Das bedeutet: Packs öffnen oder die Karten für teils zwei- bis dreistelligen Summen bei Händlern einkaufen.

Die Pokémon Company bringt mit TCG Pocket also den Goldesel Trading Card Game niederschwellig aufs Telefon. Mit dem Unterschied: Ungewollte oder alte Karten können nicht weiterverkauft werden und existieren nicht real. Der Entwickler muss nichts drucken, keine Pappe bereitstellen, nichts in Läden liefern.

Die Karten haben dreidimensionale Effekte, wenn man sie im Spiel kippt. Pokémon

Es gibt auch keine Verbindung zum echten Kartenspiel. Gekaufte reale Karten können nicht in die App transferiert werden, dafür soll es besondere Versionen geben, die nur virtuell verfügbar sind.

Warum der Fokus auf das Pack Opening? "Schon im klassischen Kartenspiel ist das Pack-Öffnen ein zentrales Erlebnis - in den Laden gehen und gespannt auf die nächste Karte sein. Genau das wollen wir in der App nicht verlieren", betont Tsujikawa.

Das Problem liegt auch weder in der aufregenden Erfahrung, ein Pack zu öffnen, Geld für ein Hobby auszugeben oder etwas zu sammeln. Es liegt in den psychologischen Mechanismen, die Spieleentwickler und insbesondere die Pokémon Company oft nutzen, um Spieler zum Geldausgeben zu verleiten.

Auch die besonderen Animationen gibt es nur für ganz seltene Karten. Dafür muss man Packs ziehen und nicht zu knapp - ohne zu wissen, wie der Algorithmus funktioniert. Im ersten Anspielen haben wir keine Wahrscheinlichkeiten gesehen. Zusätzlich hatten wir den Eindruck, das Spiel schustere uns bewusst alle paar Packs oder Ziehmechaniken die eine etwas seltenere Karte zu. Zufällig sah das also nicht aus.

TCG Pocket ist voll und ganz auf Pack Openings abgestimmt. Mit allem Bunten und Wirbelnden, was dazugehört. Es zielt nicht nur auf Erwachsene ab, die ein einfaches Spiel wollen. Denn "einfach" ist auch immer gut für Kinder - die süßen Monster und atemberaubend gestalteten Karten tun ihr Übriges.

Fazit: TCG Pocket - Digitale Glücksspiel-Mechaniken oder doch Pokémon-Erlebnis?

Wir waren überrascht, was Pokémon uns auf der Messe gezeigt hat. TCG Pocket mag visuell beeindrucken, aber hinter der Fassade scheinen hauptsächlich Mechanismen zu stecken, um Spieler zum Geldausgeben zu animieren.

Mehr zum Thema

Es wird zu sehen sein, wie viel Spaß der Kampf gegen andere Trainer macht, wenn man mit kostenlosen Decks antritt. Dafür werden wir die App nochmals testen, ehe sie am 30. Oktober erscheint. Die Spielerfahrung scheint zum jetzigen Zeitpunkt völlig darauf getrimmt, Trainer zu animieren, mehr Packs in kürzerer Zeit zu ziehen. Dass die Welt einen weiteren einarmigen Banditen zusätzlich zu EA FC oder den physischen Boosterpacks braucht: kicker eSport bleibt skeptisch.

Holm Kräusche

Über 100 Euro pro Stück: Wir zeigen die besten und wertvollsten Pokémon-Karten