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Drama, Emotionen, Historie: Frauen-Tour emanzipiert sich

Großer Zuschauerzuspruch an der Strecke und am TV

Drama, Emotionen, Historie: Frauen-Tour emanzipiert sich

Spektakuläre Bilder: Die Frauen-Tour tritt aus dem Schatten der Männer.

Spektakuläre Bilder: Die Frauen-Tour tritt aus dem Schatten der Männer. AFP via Getty Images

Das Finale im legendären Zielort Alpe d'Huez hätte Alfred Hitchcock nicht spannender inszenieren können: Demi Vollering und Katarzyna Niewiadoma lieferten sich im wohl legendärsten Touranstieg ein Fernduell auf Augenhöhe, am Ende lag die Polin um vier Sekunden vorne.

Ein neuer geschlechterübergreifender Rekord: Bisher betrug der knappste Abstand acht Sekunden, die 1989 Greg Lemond gegenüber Laurent Fignon an Vorsprung herausgefahren hatte. "Das war ein neues Level an Emotionen", sagte Ronny Lauke, Teamchef von Canyon-Sram der dpa. "Das war wie ein Tauziehen auf der Straße. Wir standen zwei Stunden unter Strom. Aus meiner Erinnerung heraus war es das spannendste Radrennen, das ich je erlebt habe."

Anschließend wurde noch im Skiort gefeiert. Zwar waren die Hotels größtenteils dicht, ein Etablissement konnte allerdings davon überzeugt werden, die Bar für das deutsche Rad-Team öffnen. Dort wurde bis zwei Uhr morgens der unerwartete Triumph bei der Tour de France Femmes begossen.

Hohes Zuschauerinteresse an der Strecke und am TV

Doch nicht nur der Schlusstag bot jede Menge Werbung für den Frauen-Radsport. Der Start in den Niederlanden erwies sich als großer Erfolg, fast eine halbe Million Zuschauerinnen und Zuschauer säumten die Straßen bei den ersten drei Etappen. Erstmals waren die Etappen der Frauen-Tour im Hauptprogramm der ARD zu sehen. Das Finale nach Alpe d'Huez verfolgten in der ARD durchschnittlich 1,38 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 8,7 Prozent entspricht. Sportchef Uli Fritz erhofft sich eine Entwicklung wie im Frauenfußball. Der habe "seine Zeit gebraucht, und heute ist er beim Publikum sehr beliebt".

Um in die Fußstapfen des Frauen-Fußballs zu treten, ist aber eine weitere Professionalisierung notwendig. Denn weiterhin sind die Probleme präsent. Immer wieder müssen Teams wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgeben, auch Rennen wurden deswegen abgesagt. Und noch sind die Leistungsunterschiede im Frauen-Radsport enorm, im Nachwuchsbereich gibt es weiterhin wenige Fahrerinnen und Wettbewerbe.

Doch Bilder wie in der letzten Woche aus Frankreich und den Niederlanden lassen die Hoffnungen auf eine weiterhin positive Entwicklung wachsen. Dazu trägt auch bei, dass mit Niewiadoma eine "Nicht-Niederländerin" die dritte Ausgabe gewonnen hat. Die Niederlande sind im Frauen-Radsport die führende Nation, 2022 triumphierte Annemiek van Vleuten, im vergangenen Jahr Demi Vollering.

Rundfahrt-Hoffnungen Bauernfeind und Niedermaier

Und Deutschland? In Ricarda Bauernfeind (24) und Antonia Niedermaier (21) hat Lauke zwei deutsche Top-Talente für Rundfahrten unter Vertrag. Nicht ausgeschlossen, dass sie eines Tages für einen Tour-Sieg infrage kommen. Bauernfeind verpasste die diesjährige Rundfahrt wegen einer Knieverletzung, Niedermaier wurde mit Rücksicht auf ihren bereits vollen Rennkalender geschont. "Wir wollen sie entwickeln und in der Zukunft noch viel Freude an ihr haben", sagte Lauke.

Noch aber fehlt es in Deutschland an einer Kandidatin für den Tour-Sieg. Das Fehlen eines Klassementfahrers eint Frauen und Männer. Beste deutsche Fahrerin wurde am Sonntag Liane Lippert, die Etappenjägerin landete mit einem Rückstand von 14:22 Minuten auf Rang 18.

DPA, jer, SID

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